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Wasserjette

Die Wasserjette - ein Zerbster Original



Henriette Schulze wurde 1835 als armer Leute Kind geboren.Ihr Vater war Kirchenschließer und Balgentreter an der Bartholomäikirche in Zerbst. Henriette war alleinstehend und musste sich selbst ernähren.
Ihren Lebensunterhalt verdiente sie durch Wasserfahren (1 Fass = 30 Groschen), Teppichklopfen, Nähmaschinen von Ort zu Ort tragen und sonstige Arbeiten. Das Wasser schöpfte sie aus der Nuthe. Die Schöpfstellen waren bei der ?Rammelsburg" (Alte Brücke), an der ?Ankuhnschen Mühle" und am "Äppelwall" (Post).

"Jettchen" besaß einen kräftigen Körper. Ihre Zeitgenossen kannten sie mit den Arbeitsfurchen in dem männlich harten Gesicht, mit prallen roten Armen und derben Fäusten, mit dem grünen Alltagskleid, mit brauner Mütze und blauer Rüsche, mit ihren hohen Männerstiefeln und ihrem Wasserwagen.

Sie war eine fleißige, ehrliche, saubere und resolute Frau, die sich oft auch handgreiflich gegen ihre Peiniger zu verteidigen wusste. Strafen von der Polizei oder vom Schöffengericht waren für sie nichts Seltenes. Aber nie war zu hören oder zu lesen, dass einer ihrer Peiniger je bestraft worden wäre.
Durch den Bau der Wasserleitung 1894 in Zerbst verlor sie ihre Arbeit als Wasserjette.

Federzeichnung von Kunstmaler Konrad Alfred Bott

Aus: Zerbster Extrapost 1920


Die Zerbster Wasserjette

Gedicht vonJutta Kracht – Zerbst

Stand vor einem grünen Rasen,
und vor Birken, weiß und schlank,
auf dem Kirschbaum – wild und üppig –
eine frohe Amsel sang.

Schwarz und eisern schließt das Gitter
eine letzte Ruh’statt ein.
Seht hier ruhet – sanft und friedlich –
„Wasserjette“ letzt’ Gebein.

„Wasserjette" – ach dein Name
zaubert uns die Jugend vor,
seh’ dich wieder – holde, schöne
Wasserfee vom Nymphenchor.

Aus der Zerbster Spree du fülltest
deines Fasses hohlen Bauch,
und das „edle Nass“ dann brachtest
in die Häuser – wie’s einst Brauch.

Und es war kein Kind im Städtchen,
das nicht kannte dein Gespann,
das nicht neckte – „Wasserjette“,
dicke, nette, hasch mich an!“

Doch es schwand die gute alte,
traute, heimelige Zeit –
du „Wasserjette“ – auch du schlummerst,
und dein Amt – es liegt so weit.

Doch es grünt der weiche Rasen,
Morgentau wie Träne blinkt,
auf dem Kirschbaum – auf der Birke
sitzt das Vögelein und singt.

Singt von längst entschwund’ nen Tagen,
singt von Jettes Freud und Leid.
Liebes Vöglein singe weiter –
von der guten alten Zeit!