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Dr. Hermann Wille

Als das Schicksal so hart zuschlug

Grab von Inge Teichgräber

Eine Erinnerung an den 125. Geburtstag von Dr. Hermann Wille

Der Luftkrieg, vor 60 Jahren am 16. April 1945, trug den Terror und den Tod auch in unsere Stadt – gleich der biblischen Apokalypse ließen die Kriegsführenden des verfluchten Zweiten Weltkriegs, Feuer vom Himmel regnen. Mit vielen Sorgen und Nöten erlebte Dr. Herrmann Wille ein Teil seines Lebens in der Stadt Zerbst, die er sich als junger Arzt selbst ausgesucht hatte und in der er seit dem Jahre 1907 als Arzt tätig war.
Dr. Hermann Wille wurde am 20. September 1880 in Nordhausen/Harz
geboren. Er erlebte bereits als Mediziner den 1. Weltkrieg in der Türkei. Auf Grund seines Alters konnte er im erlebten 2. Weltkrieg in der Stadt Zerbst bleiben und bekleidete das Amt des Leiters der Rettungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes.

Die zerstörte Trinitatiskirche

In seinem Kriegstagebuch, persönliche Aufzeichnungen in einem Taschenkalender des Jahres 1938 und aus der Not auf das Jahr 1945 umgeändert, schrieb er: „Am Tag nach dem Bombenangriff (1. Angriff der Stadt am 14. April) trat eine unheimliche Stille ein bis am Abend der Artilleriebeschuss mit Brandgranaten wieder einsetzte. In der Rettungsstelle im Neuen Haus kamen Verletzte mit vielen Brandwunden. Auch Dr. Stein (ebenfalls ein Arzt in Zerbst) und Inge mit vier Helferinnen kommen. Den ganzen Abend worden Notverbände angelegt.“
Und diese junge Rote Kreuz Helferin, die aus Solingen bei ihm einquartiert war, an ihr hatte er dann eine traurige Begebenheit, an der er sein ganzes Leben dachte.

Blick auf das Heidetor

wenige Tage nach Kriegsende

Er hatte die Nacht mit den Helferinnen in der Brüderstraße 40 (ehemalige Synagoge) verbracht, bis er um 3.45 Uhr am 16. April das Haus verließ, um zu Hause nach dem Befinden zu sehen. Hinterher wusste er, dass er damit dem sicheren Tod entgangen war, denn um 10.20 Uhr brannte der Himmel.
Er schreibt: „17. April 1945 – Am Morgen am erhalten gebliebenen Francisceum vorbei zur Brüderstraße vorgedrungen Das DRK – Heim zerstört, des Haus dem Erdboden gleich – zwei große Bombentrichter. Sofort Ausgrabung veranlasst. Inge und Helferinnen unter den Trümmern begraben!!!
Inge und Christa völlig verkohlt!“ Zu spät.

Kriegstagebuch von Dr. Wille

Dieses tragische Unglück hatte den immer humanen Arzt Dr. Hermann Wille sein Leben lang stark belastet, dass er seine Helferinnen im Keller der Brüderstraße 40 (Synagoge) untergebracht hatte.
Inge Teichgräber wurde nach der Identifizierung mit auf dem Heidetorfriedhof bestattet. (Abbildung)
Weiter am 28. April 1945 schreibt er in seinem Tagebuch: „Als ich meinen Dienst in der Rettungsstelle antrat, fragte mich der Oberbürgermeister Abendroth, ob ich bereit wäre mit Herrn Gelzenleuchter, der die englische Sprache beherrscht, zu den Amerikanern zu gehen und die Übergabe der Stadt zu bewirken. Als Rotkreuzarzt schien ich ihm besonders geeignet.
Ohne Bedenken übernahm ich den Auftrag, froh, unserer Stadt in dieser schweren Stunde einen Dienst erweisen zu können!“
Der kommandierende Oberst, sein Stellvertreter und der stellvertretende Landrat hatten zu dieser Zeit bereits fluchtartig Zerbst verlassen.
Das die Stadt Zerbst mit weiteren 130 Geschützen beschossen werden sollte, das aber verhindert wurde, das ist das Verdienst von Gelzenleuchter und Dr. Wille.
Sein erst nach Jahren bekannt gewordener Ausspruch im Saal der Gaststätte in Tochheim bei der amerikanischen Militärführung: Herr General, im Namen der Humanität, lassen sie es genug sein!“ zeugt von seiner Einstellung und wird in die weitere Geschichte der Stadt Zerbst eingehen.

Die völlig zerstörte Orangerie

Aber auch nach dem verheerenden Ende des Krieges hat sich Dr. Hermann Wille stets für die Belange der Menschen und seiner Stadt eingesetzt. Als Stadtrat der Liberal Demokratischen Partei und stellvertretender Stadtratsvorsitzender konnte er somit unmittelbar in die Geschehnisse „in seine Stadt“ noch Gedanken mit einbringen.
Kulturell stark veranlagt spielte in seiner Freizeit immer mit seiner Frau Klavier.
Seine Frau war ausgebildete Sängerin und sang in vielen Oratorien in der Stadt Zerbst!
Bei der ersten Wiedereröffnung der Leistungsschau des Kreises Zerbst vom 23. bis 27. August 1947 im Schlossgarten der Stadt Zerbst, wurde das „Das Lied von der Glocke“ von Max Bruch op. 45 – für Chor, vier Solostimmen, Orchester und Orgel, am Sonntag, den 24. August 1947 aufgeführt. Den Tenor sang hier Dr. Hermann Wille. Umrahmt von der Städtischen Singegemeinschaft und der städtischen Orchestergemeinschaft.
Als er am 8. August 1962 als ein arbeitsamer und mutiger Zerbster Arzt und Bürger seine Augen für immer schloss, erinnerten sich auch viele an einen nicht alltäglichen Hausarzt der mit Güte und Bescheidenheit seine Lebensarbeit verrichtet hatte.

Helmut Hehne, Zerbst

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