Die Volksschule 1 in Zerbst
Vor der Schule war einst der Pfannenteich, da wo heute das schöne Blumenstadtwappen zu sehen ist. Hier stand einst das Wasser des Rephuns Garten bis an die heutige Jeversche Straße. Der Rephuns Garten entwässerte unter der Gaststätte, dann durch den Pfannenteich bis zur Werder Nuthe bei der Puschkinpromenade als offener Graben.
Dahinter war früher der verwilderte Friedhof des Hospitals "Zum heiligen Geist". Der Straßenname "Am Geisthof' erinnert noch heute daran. Die kleine Erhöhung, wo einst der Gaskessel Stand ist der "Pfannenberg". Der Name kommt vom waschen der Braupfannen der damaligen Bitterbierbrauerei der Leute.
Der Neubau der Schule sollte erst an einer ganz andren Stelle errichtet werden, nämlich in die Sackstraße (heutige nun schon wieder verschwundene Mittelstraße oder ein Standort in der Lüttge-Brüderstraße.
Schon seit 1856 befand sich in der Sackstraße eine Schule mit 6 Klassen, woraus allmählich 9 Klassen wurden. Nach wiederum langen Verhandlungen entschloss man sich im Stadtrat, dass der Bau vor dem Akenschen Tore stattfand. Am 18. Oktober 1889 war die Einweihung der Schule.
Das Schulhaus hatte 20 Räume. Nur der Mittelbau wurde unterkellert. Heute werden noch 16 Räume davon benutzt. Einer wurde zur Hausmeisterwohnung umgebaut, einer wurde Konferenz und Lehrerzimmer und einer als Küche für die Haushaltsklasse hergerichtet. Diese wurde erst 1900/1901 in Betreib genommen. Der Werkunterricht bestand erst seit dem 1. April 1925. Die bereits damals viel zu kleine Turnhalle wurde im Jahre 1890 nachgebaut.
Die Abnahme der Kinder nach dem 1. Weltkrieg hatte viele Schulräume zum Schließen gebracht. So Weinberg und Mittelstraße.
Der innere Aufbau war von einer erst 4 stufigen Schule bis zu einer 8 stufigen im Jahre 1920.lm Jahre 1919 wurde durch Verfügung derAnhaltischen Regierung die erste Grundschulklasse eingeführt und dann von Jahr zu Jahr je eine weitere, so dass von 1920 ab die jetzt Grundschule eine gemeinsame Bildung der Kinder erfolgte. Die große Menge der Schüler (bis zu 60) konnte nur durch harte Zucht unter häufiger Anwendung des Stockes im Zaume gehalten werden.
Ältere Lehrer waren damals Pfeil und Specht. "Ich bin Herr Specht und habe das Recht batsch haste eene weg!" Der erste war 30 Jahre an der Schule tätig, der zweite 40 Jahre, Herr Heistermann, "Papa" Lange.
Folgende Rektoren oder Schulleiter waren an der Volksschule 1 tätig:
1889 bis 1901 Rektor T orger 1901 bis 1911Rektor Korte
1911 bis 1926 Rektor Hümmelgen 1926 bis 1945 Rektor Franz Rätz 1945 Bis 1947 Rektor Hetzel 1947 bisSchulleiter Syring
Die von der Anhaltischen Regierung festgelegten Schülerzahlen waren 40 für die Grundschulen und 50 für die Volksschulen. Am längsten bis heute war der frühere Chordirektor Franz Zander beschäftigt. Er war vom 1. Mai 1870 bis zum 30. September 1917, also 47 Jahre lang tätig.
Im Jahre 1921 wurde für die in Zerbst wenig begabte und körperlich zurückgebliebene Kinder die Hilfsschule eingerichtet. Als deren Vorläufer galt die seit 1919 bestehende Förderklasse .Nun erst konnte diesen Kindern eine ihrer geistigen und seelischen Eigenart (Rätz) gemäße Pflege und Behandlung zu teil werden. Leider wird auch heute noch der Wert einer solchen Einrichtung verkannt. Aber auch Eltern wehrten sich oft gegen die Überweisung ihres zurück gebliebenen Kindes in diese Einrichtung. Auch heute noch? Die Zerbster Hilfsschule hatte im Jahre 1931 als dreistufige Schule 53 Kinder.
Weitere Lehrer an der Volksschule 1, bis 1945 waren: Hildebrandt, Frau Mäinicke, Max König, Frl. Kopprasch, Rektor Rätz, Hetzel,
Im Jahre 1944 wurde die Entwässerung der primitiven Toilettenanlagen erneuertHier konnte man jetzt die vielen menschlichen Gebeine des ehemaligen Friedhofes sehen. Sie wurden achtlos mit den Erdmassen an den Gräben gelagert.
In den Jahre 1944 bis 1945 wurde das in den Kellerraum gehen geübt, um bei Fliegeralarm die Schutzraume schnell aufsuchen zu können.
Einer der bekanntesten Zerbster Lehrer war Maxe König.
Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 wurde die Lehrerschaft teilweise geändert. So kamen u. a. folgende Lehrer an die Schule: Fütterer, Frau Rößner, Heißler, König, Jünemann, Frau Bergt, Hillman, Mohß, Schnelle, Hetzel, Hermann (kam aus russischer Gefangenschaft und lehrte Russisch), Frau Zänker, Frau Knorre, Frl. Kinnemann, Frl. Seebald, Frau Resow, Frau Postel, Frau Leue, Frau Schimansky, Frau Mengewein, Zeh, Frau Lüderitz.
Da die anderen Schulen alle zerstört waren, wurde in der Volksschule 1 Unterricht vormittags und nachmittags abgehalten. In der zweiten Pause gab es immer das ersehnte Roggenbrötchen für einen Preis von 20 Pfennig in der Woche. Das Geld sammelten die Lehrer ein. Der letzte Schultag einer Volksschule, dann Grundschule, polytechnische Oberschule und Sekundarschule am "Rephuns Garten" hatte in diesem Jahr, nach 117 Jahren, ihren letzten Schultag. Nun soll es ein Bestandteil des Zerbster Gymnasiums werden.
Helmut Hehne, Zerbst