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Hermann Wäschke

Hermann Wäschke 1850 bis 1926 von H. Hehne

Prof. Dr. H. Wäschke

(ganz links im Bild) "Empfang beim Bürgermeister" Luther in Zerbst

Der Ort Großpaschleben im Kreis Köthen, ist sonst eine Gemeinde, von der man wenig berichten kann. Hier verbringt eine Familie Wäschke ihre arbeitsamen Tage. Rechtschaffen, fleißig und ehrlich, aber auch in Bezug zu den damaligen Verhältnissen, bitterarm.
Hermann Wäschke erblickte hier als fünftes Kind von sechs in der Familie, am 21. Mai 1850 in Großpaschleben – Kreis Köthen, Nr. 47, heute Hermann – Wäschke – Straße, um 5.45 Uhr das Licht der Welt. Und mit seiner Geburt, da hatte er schon die „Wurzeln der Heimatliebe“ mit in die Wiege gelegt bekommen.
Das Haus in dem er später aufwuchs, hatte sein Vater und seine Mutter mit ihrer eigenen Hände Fleiß selbst erbaut.
Sein Vater Johann Georg Karl Wäschke arbeitete als Maurer auf dem Rittergute in Großpaschleben und als Siedemeister in der dem Gute angegliederte Zuckersiederei der hiesigen Zuckerfabrik. Eines Tages richtete der Siedemeister Wäschke mit anderen Arbeitern einen Mühlstein mit auf, da geschah das große Unglück, was für die Familie eine weit reichende Armut bedeutete. Der Vater verstarb an den Folgen und sah seinen Hermann nie wieder.
Sein Lebensweg aber geht weiter:
Von 1857 bis 1861 besuchte Hermann Wäschke die 4- klassige Volksschule in Großpaschleben. In seiner Freizeit musste er, wie es so vielen in der damaligen Zeit erging, auf den Feldern des auch in Paschleben ansässigen Guthofes arbeiten, um am Lebensunterhalt der Familie beizusteuern.
In der Schule erkannte der rührige Dorfschulmeister Schettler die geistige Regsamkeit des Jungen und setzte durch, dass er das Gymnasium in Köthen besuchen konnte. Er war ja Halbwaise.
1862 bis 1870 besuchte er das Gymnasium in Köthen, mit dem Abschluss des Abiturs im gleichen Jahr. 21 Jahre alt ist er, als er seine Reifeprüfung ablegte.
Mit rund 3,5 km legte er täglich seinen Schulweg zwei Mal zu Fuß zurück.
1871 bis 1875 studierte Hermann Wäschke in Leipzig die alten Sprachen Latein und Griechisch, sowie Germanistik und deutsche Geschichte und besteht als 25 Jähriger mit sehr guten Leistungen sein Staatsexamen. Das Studium wurde durch eine großzügige Unterstützung der fürstlichen Wolfgangschen Stipendien finanziert. Um das zu ermöglichen schrieb der Oberbürgermeister der Stadt Köthen an den Fürsten in Dessau.
Da konnte man schon die große Freude verstehen, als er nach dem Studium in seine Heimat Großpaschleben wieder zurückkehrt und hat die große Welt vor sich. Keiner hätte ihm später je den Dr. Phil. zugetraut. Hätte es doch noch der „Wäschkevater“ miterlebt. Viel Raum lässt er oft in seinen „Paschlewwer Jeschichten“ für seinen Vater.
Die Erinnerungen an den Vater, hat er wohl bis an sein Lebensende mit sich herumgetragen.
1875 bewarb er sich um ein Lehramt am Gymnasium in Dessau, wo er mit einem mit Bravur bestandenem Staatsexamen für ein Probejahr in den höheren Schuldienst aufgenommen wurde.
1877 wurde er promoviert mit einer Doktordissertation über Themen aus der Welt der Griechen und der Römer. Damit wurde er zum Dr. Phil. Hermann Wäschke.
1878 war das Jahr der Hinwendung zur deutschen Sprache. Es entstanden von ihm viele Abhandlungen über Anhaltische Mundarten, was damit ein echter Ausdruck der Liebe zu seiner Heimat und dem einfachen Menschen darstellt. Zum Osterfest des Jahres 1882 wurde Wäschke als Oberlehrer an das Zerbster Gymnasium „Francisceum“ versetzt, wo er bis 1889 wirkte.
Am 2. September 1882 führte ihn ein trauriger Anlass nach Großpaschleben. Seine gerade so für ihn umsorgte Mutter, musste er mit zu Grabe tragen.
1889 kehrte er dann an das Dessauer Gymnasium zurück. Hier wendet er sich der Anhaltischen Geschichte zu und brachte zahlreiche Veröffentlichungen heraus. Bis zum Jahre 1901 hatte er hier auch eine Professur inne.

Im Jahre 1900 erschien Wäschkes Hauptwerk in der kleinen Dichtung, nämlich die allgemein bekannten „ Paschlewwer Jeschichten“ in 6 kleinen Bänden. Dazu kommt noch ein Band mit dem Titel „ De Miehme Wewern ihr Wattenrock“ und ein letzter „Töffchen und sein Notizbuch“.
Hermann Wäschke hat mit diesen Geschichten den einfachen Menschen ein Denkmal gesetzt, ohne ihre kleinen Schwächen zu vertuschen. Im anhaltischen Dialekt ist es zu dieser Zeit die erste Schrift. Hermann Wäschke hat somit als erster in unserer Mundart seine Geschichten in die Literatur eingeführt. Dieses Denkmal klingt bis heute nach.
1901 sagte er dem Schuldienst ade und er nimmt nun seine eigentliche, für ihn richtig bestimmte Lebensaufgabe wahr. Es folgte die Ernennung zum Archivrat und gleichzeitig zum Leiter des im Zerbster Schloss untergebrachten „ Anhaltische Staatsarchiv“. Er erhielt eine Professur und wurde Geheimer Archivrat. Auch verwaltete er das Zerbster Stadtarchiv mit.
Jetzt kann er sich völlig der heimatlichen Geschichtsforschung widmen. Er gab aber auch seine Lehrertätigkeit nicht ganz auf. Das Archiv entstand völlig neu geordnet unter seiner Leitung. Durch ihn wurde viel Anhaltische Literatur verbreitet und er macht dadurch weithin das Archiv bekannt. So unter anderem:„Abriss der Anhaltischen Geschichte“„Geschichte der Stadt Dessau“„Die Askanier in Anhalt“die Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchiv von 1401 bis 1500„Die Zerbster Ratschronik“ in Niederdeutsch geschrieben mit einer Übersetzungdie „dreibändige Geschichte Anhalts“und viele, viele andere Publikationen.

Sehr aktiv arbeitet er im Verein für anhaltische Geschichte und Altertumskunde mit. Er war weiterhin Mitglied der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt und Mitglied des Deutschen Archivverbandes.
Ebenfalls im gleichen Jahr gründete Wäschke den „Zerbster Geschichtsverein“. 23 Jahre hatte er diesen, seinen Verein, als ihr erster Vorsitzender, mit einer großen Selbstaufopferung geleitet.
Dieser Verein hätte ebenfalls seinen 100. Geburtstag in diesen Tagen im Oktober gefeiert. Leider wurde dieser auch im Jahre 1945 liquidiert.
Als Beilage der Zerbster Zeitung erschien die Broschüre „Alt Zerbst“ – Mitteilungen aus der Geschichte von Zerbst und Ankuhn. Ein Organ des Zerbster Geschichtsvereins, gegründet im Jahre 1904 von Hermann Wäschke. Der Herausgeber ist der Vorstand des Zerbster Geschichtsvereins.
1907 wurde zur 900 Jahrfeier der Stadt Zerbst das Festspiel aus seiner Feder aufgeführt. Er dichtet Lieder, Sprüche und Gedichte. Er war unermüdlich tätig.
In das leider nicht mehr bestehende Schützenhaus, ging die erste Aufführung über die Bühne. In diesem Festspiel betritt Wäschke ein neues Gebiet der Dichtkunst und führt sich auf demselben, gleich mit dem Entwickeln einer glücklichen Idee gut ein; denn die Verbindung zwischen Jetztzeit und Vergangenheit, durch das Wiederaufleben von Roland und Butterjungfer, herzustellen, war ein wohlüberlegter Gedanke.
Der Inhalt ist kurz folgender:
Auf dem Marktplatz in Zerbst singt eine lustige Schar Studenten Lieder. Auftretende Bürgerinnen und Bürger zeigen sich in ihren Alltagssorgen. (Denkt hier Wäschke an sein Zuhause in früheren Jahren?) Ein übermütiges Beschwören des Rolandstandbildes hatte Erfolg, da es gerade Mitternacht ist.
Der Roland erwacht und steigt von seinem Sockel, Studenten und den Nachtwächter in die Flucht schlagend.
In packenden Worten, denn Wäschke kannte all die Not und das Elend aus seiner Kindheit und Jugendzeit, zeigte das Festspiel eine Glanzstelle seiner Art.
Der Roland spricht hier und beklagt das Vergehen alles Großen und Schönen und ermahnt die Bürger zu Biedersinn, Einigkeit und Treue. Weil er erkennt, dass er nicht in die neue Zeit passt, will er auf seinen Sockel zurück, um wieder zu Stein zu werden.
Da erscheint die gleichfalls zu neuem Leben erwachte Butterjungfer und bittet den Roland zu verweilen. Eine kurze Wechselrede führt nun zum 900 jährigen Stadtfest.
Und die Butterjungfer befragt den Roland, ob wohl Freude oder Leid der Stadt beschieden war? Der Roland bittet, die kleine Figur auf der Säule, in vielen folgenden Bildern davon zu berichten.
Aus Anlass des 100 jährigem Gedenkens an die Befreiungskriege im Jahre 1813 und an den Durchmarsch des Lützowschen Corps, mit einem Appell auf der Breite, schrieb Wäschke noch einmal ein Vaterländisches Schauspiel in drei Akte mit dem Titel: „Theodor Körner in Zerbst“.
1912/13 erscheint Hermann Wäschkes Hauptwerk: Die 3- bändige
Anhaltische Geschichte, wonach wohl heute jeder Heimatkundler greift, um sich der Geschichte Anhalts zu vergewissern.

Aber auch im Gemeindekirchenrat von St. Bartholomäi war er ein gefragtes Mitglied. Bereits schon damals beschäftigte ihn eine „Friedhofssatzung“ des Frauentorfriedhofes in Zerbst
Und am 14.Mai 1925 ist es laut Beschluss der Stadt Zerbst soweit:
„Für verdienstvolle Arbeit zum Wohle der Stadt Zerbst wurde für sein Lebenswerk als Ehrenbürger der Stadt Zerbst geehrt“:Geheimer Archivrat Professor Dr. Phil. Hermann Wäschke

Am 1. April 1925 trat nun der Ehrenbürger Prof. Dr. Hermann Wäschke in den wohlverdienten Ruhestand, nachdem er 50 Jahre seinem Anhaltischem Land treu gedient hatte.
Ein weiterer Ausdruck der Dankbarkeit für seine geleistete Arbeit, war die Einrichtung eines „Hermann Wäschke Zimmers“ noch bei Lebzeiten, im Zimmer 113 des Schlosses und gleichzeitig Raum 36 des Schlossmuseums.
Persönliches, wie ein Bildnis hatten seinen Platz, seine Urkunden, Ehrungen und Orden wurden gezeigt. Es wurde seine Leistungen als Heimatforscher und Historiker gewürdigt.
Gestorben ist er am 27. November 1926 um 17.45 Uhr in Zerbst, in der Biaser Straße Nr. 9. Er hatte keine Kinder.
Erst zwei Jahre zuvor (1924), hatte Hermann Wäschke dem Geschichtsverein Lebewohl gesagt. Zum 25 jährigem Jubiläum im Oktober 1926 konnte er leider nicht mehr teilnehmen, denn Leid und Kummer, durch das Hinscheiden seiner Frau, seinem „Emmeken“ und die bei ihm fühlbarer werdende Körperschwäche, hinderten ihn daran. Die Festsitzung war eine ausgesprochene Ehrung seiner Person. Es war ja auch sein Werk, der „ Zerbster Geschichtsverein“.
Im Jahre 1924 bei seinem Ausscheiden wählte man ihn noch zum Ehrenvorsitzenden.
Es wurde unter der Federführung unseres verdienten Stadtarchivars Reinhold Specht, eine durch den Magistrat der Stadt Zerbst herausgegebene Festschrift „Das Stadtarchiv zu Zerbst“ zum 25. Jubiläum des Geschichtsvereins, diesem gewidmet. Hierin ist die Leistung von Hermann Wäschke als Lebenswerk noch einmal hervorragend gewürdigt worden.
Schon 4 Wochen später deckte den verdienstvollen Mann der kühle Rasen auf dem Frauentorfriedhof zu. Nur ihm war im Zerbster Schlossmuseum ein „Wäschkezimmer“ eingerichtet worden, was leider auch dem wahnsinnigen Luftangriff am 16. April 1945 zum Opfer fiel. Die Trauerfeier um Hermann Wäschke fand, es konnte nicht anders sein, ihm zu Ehren in der Schlosskapelle des fürstlichen Schlosses am aufgebahrten Sarge statt. Ein langer Trauerzug von all seinen Freunden begleitete ihn zur letzten Ruhe.
Ein richtiger Ehren- und Feiertag war dann nochmals der 21. Mai 1928 für die kleine Gemeinde Großpaschleben. Es war die Enthüllung einer Bronzetafel am Geburtshaus von Hermann Wäschke. Schon damals war es der sichtbare Ausdruck dafür, was Wäschke der Mit- und Nachwelt bedeutete. Welche Verehrung kam dem Geschichtsforscher, dem Geschichtsschreiber, dem Heimatdichter und Pfleger der Heimatsprache hierbei zu. Den Festvortrag an diesem Tage hielt kein anderer als Archivar und Studienrat Reinhold Specht aus Zerbst.
Um dem Zerbster Ehrenbürger eine weitere Ehrung zu teil werden zu lassen, wurde durch den Stadtrat der Stadt Zerbst in seiner Sitzung am
26. Oktober 1994, mit Beschlussvorlage Nr. 14a/94, der Beschluss gefasst, dass die im Wohnungsneubaugebiet bei der Käsperstraße liegende Planstraße mit
Dr. Hermann – Wäschke – Weg
benannt wird.
Wir wissen nicht, welche Fügungen des Schicksals den Weg eines Menschen gestalten. Wenn ich heute im Leben von Hermann Wäschke nach diesen Einflüssen suche, dann würde ich das Elternhaus, dem Vater, vor allen aber der Mutter das entscheidende Gewicht geben. Dort wurden Bewusstsein, das Verständnis für die Fragen der Kultur und Geschichte und der Heimatliebe früh geprägt.
Um mit Hermann Wäschke seinem Abschiedswort zu sprechen, erinnern wir uns gerne mit:„Hat je!“